der künstler
Eduard Bargheer (1901 – 1979) war in den 1950er Jahren ein in vielen Ausstellungen auch international vertretener Künstler. So war er 1948 an der Biennale in Venedig und 1955 und 1959 an der documenta in Kassel beteiligt. Sein Werk führte von einem von Edvard Munch beeinflussten expressionistischen Frühwerk nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer abstrahierenden Formsprache. Abstraktion hieß für ihn Übersetzung eines Seherlebnisses unter Aufgabe perspektivischer Raumillusion in eine zweidimensionale zeichenhafte Darstellung, eine Konzentration auf Wesentliches und Elementares sowie die Sichtbarmachung der verborgenen architektonischen Strukturen des Motivs. Das dadurch entstehende formale Beziehungsgeflecht wurde vom Künstler selbst als „Gewebe“ bezeichnet. Bedeutete der expressionistische Ansatz des Frühwerks eine Transformation des Gegenstands, könnte man in der Schaffensphase der Nachkriegszeit eher von Transfiguration sprechen, von einer symbolischen Repräsentation der Wirklichkeit. Charakteristisch für diese Phase ist darüber hinaus eine von ihm in seinen Bildern angestrebte Harmonie von Farbe und Licht, die er vorbildlich in den Aquarellen Paul Klees von der Tunis-Reise 1914 realisiert fand.
Ungegenständliche Richtungen („abstrakte Kunst“) setzten sich nach dem Krieg durch als Ausweis von Befreiung, Westausrichtung und vermeintlicher Progressivität. Bargheers Arbeiten wurden damals gelegentlich auch als „abstrakt“ eingestuft. Das ist unzutreffend und wohl darauf zurückzuführen, dass der fundamentale Unterschied zwischen den Ansätzen „gegenständlich“ und „ungegenständlich“ und zwischen „abstrahierend“ und „abstrakt“ verwischt wurde. Es wäre vielleicht besser, wenn ungegenständliche Kunst auch so genannt würde und der Terminus „Abstraktion“ im Sinne eines Oberbegriffs für beide Richtungen vermieden oder zumindest nur in Hinblick auf die abstrahierende Verfahrensweise gebraucht würde. Abstrahiert wird von etwas und zu etwas. Bargheers Arbeiten blieben jedenfalls auf das Augenerlebnis der Wirklichkeit bezogen. Er versuchte, hierauf bildnerisch eine adäquate Antwort zu finden, was für ihn nur in symbolischer Form möglich war. Damit unterscheidet er sich auch von spielerisch-kreativen Richtungen der freien Figuration, die nach dem Totentanz der Stile und nach der Verabschiedung vom Fetisch Innovation und Fortschritt in unserer Zeit eine Aufwertung erfuhren, aber zu einem unüberschaubaren Jahrmarkt der Beliebigkeiten führten.
Bargheer war ein Ausnahme-Künstler, dessen Werk so recht in keine der gängigen Schubladen passt. Mit Künstlern wie ihm fand die Landschafts- und Menschendarstellung der klassischen Moderne eine Fortsetzung. Tendenzen der Dekonstruktion, wie sie in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts bestimmend wurden, hat er zwar aufmerksam zur Kenntnis genommen, sie waren aber, auf sein künstlerisches Schaffen bezogen, seine Sache nicht. Bei ihm finden sich dagegen durchaus einige Vorstellungen der Postmoderne vorweggenommen.
In einer Ausstellungsbesprechung im „Spiegel“ von Joachim Kronsbein wurde Eduard Bargheer einmal als „Magier im Zwischenreich“ tituliert, womit seine Position gut umschrieben ist: Ein in Teilen Paul Klee nahestehender bildender Künstler in der Mitte des XX. Jahrhunderts im Spannungsfeld von Reproduktion und Imagination, von Vision und Wirklichkeit.