Farbe und Licht bilden ein zentrales Thema in Eduard Bargheers gesamtem malerischen Oeuvre.
Aufgewachsen am großen Elb-Strom bei Hamburg bemerkt Eduard Bargheer schon in frühen Jahren, wie der Wechsel des Tageslichts, der Jahreszeiten oder der Wetterverhältnisse das Gesicht der Landschaft ständig verändert. Und er erkennt, dass das Licht und sein Einfluss auf alle Erscheinungen in Strom- und Meeresnähe besonders erlebbar wird. „Wo viel Wasser ist, da ist viel Licht“, so hat er es einmal formuliert. Auf seinen Reisen stellt er zudem fest, dass es lokale Lichtbedingungen gibt, die dem jeweiligen Ort eine ganz spezifische Atmosphäre verleihen. All dies kommt in seinen frühen expressiv-realistischen Landschaftsdarstellungen zum Ausdruck.
Wie sehr es Bargheer in seiner Malerei immer auch um das Phänomen Licht und dessen Darstellbarkeit geht, lässt sich unter anderem daraus ersehen, dass in vielen Bildern die Sonne als milchige Scheibe gegenwärtig ist. Hier werden mythische Vorstellungen wachgerufen, und der Sonne soll als Spenderin des Lichts und damit vielleicht auch als Sinnbild des Lebens überhaupt gehuldigt werden. Ist es doch das Sonnenlicht, bei dessen prismatischer Brechung die in ihm schlummernden sieben Spektralfarben erst für unser Auge sichtbar werden. Mit seinen zahlreichen Abend- und Nachtbildern, aber auch mit bisweilen tief schwarzen Fensterhöhlen und Schattenpartien in strahlenden, taghellen Bildern will Bargheer vielleicht auch die Antagonie von Licht und Finsternis thematisieren, die nach seiner Auffassung unser Sein bestimmt.
Die Hinwendung zum Mittelmeer-Raum stellte den Maler vor neue Herausforderungen. Die blendende Helligkeit des mediterranen Lichts erlaubt kaum noch ein differenziertes Farbsehen. Diese Erfahrung befördert bei Bargheer die Tendenz zu einer weitergehenden Abstrahierung. Schon in seinen teils expressionistischen Arbeiten der Kriegs- und frühen Nachkriegszeit deutet sich diese Tendenz an, die von einer fortschreitenden Transformation des Gegenstands bei der Darstellung gekennzeichnet ist. Diese Abstrahierung und Befreiung bezieht sich auch auf die Farbigkeit des Bildes, die sich weiter von der Lokalfarbe löst und subjektiv Empfundenes bisweilen vehement zum Ausdruck bringt.
Ab 1948 wird dann die Abstraktion noch durchgängiger vollzogen, wenn auch – anders als bei ungegenständlich arbeitenden Künstlern – das Augenerlebnis weiterhin Ausgangspunkt und Richtschnur des Gestaltungsprozesses bleibt. Wesentlich für die neue Ausrichtung ist bei Bargheer die Entscheidung, den Raum nicht mehr gegenständlich und in perspektivischer Sicht zu behandeln, sondern das dreidimensional Wahrgenommene konsequent in die zweidimensionale Bildfläche zu übersetzen. Das Bild ist für ihn nicht mehr, wie wir es seit der Renaissance kennen, Abbild einer gesehenen und erlebten Wirklichkeit, sondern Symbol für diese. Zum neuen Verfahren gehört neben einer Verdichtung der Darstellung hin zu Elementarformen auch die Verknüpfung aller Motiv-Bestandteile zu einer das ganze Bild bestimmenden und deutlich hervorgehobenen Gewebestruktur, die ausdrücken soll, wie formal alles mit allem verknüpft ist. Was für die „Befreiung“ und Neudefinition der Form gesagt wurde, gilt ebenso für die Farbgestaltung. Sie wird noch stärker „abgelöst“ vom Gegenstand, man könnte auch sagen „verselbstständigt“. So, wie sie in der vereinheitlichenden Gesamtkomposition dann dem Betrachter erscheint, drückt sie das Erlebnis Licht mit aus und behält bei aller Kompositionsfreiheit damit einen realistischen Bezug zur visuellen Wirklichkeit. Bargheer selbst sprach in Zusammenhang mit seiner Farbgebung von einer Harmonie aus Licht und Farbe, die zu realisieren ihm vorschwebte und für die die Tunis-Aquarelle Paul Klees ihm Vorbild waren.
Aquarelle fristen im heutigen Museums- und Ausstellungsbetrieb leider immer ein Schattendasein, was mit ihrer Lichtempfindlichkeit, aber auch mit der üblichen Größe von Papierarbeiten zusammenhängen mag. Großformatige Bilder sind für Ausstellungen heute gefragt. Dabei spielte im 20. Jh., in vorderster Reihe bei den Expressionisten, das Aquarell eine wichtige Rolle. Auch Bargheer, der vom Expressionismus herkam, war vor allem Aquarellist. Seine Bevorzugung dieses Mediums hing mit den Vorteilen zusammen, den diese Technik bietet: Sie erlaubt, Seheindrücke –auch vor der Natur – spontan und schnell umzusetzen, die Farben können transparent gesetzt und auf dem hellen, weißen Papier-Untergrund zum Leuchten gebracht werden. Für einen Licht-Maler wie Bargheer, dem es auch auf die Lebendigkeit der Darstellung ankam, also das ideale Medium. Er schreckte dabei auch vor größeren Formaten nicht zurück, was vielen seiner Arbeiten einen geradezu bildhaften Charakter verleiht.
Die Ausstellung gibt an Hand exemplarischer Beispiele einen Eindruck von Bargheers künstlerischer Entwicklung in sechs Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts und erweist einmal wieder seinen Rang gerade auch als Aquarellist.
(Dirk Justus)
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